Als ehrenamtlicher Jugendkunst Förderer für das Land Rheinland-Pfalz im Rahmen der Kreationstage des Alexandra-Lang-Jugendkunstpreises, sind mir die Umstände und Methoden der schulischen Bildung im Bereich der Bildenden Kunst seit nun 13 Jahren ein besonderes Anliegen.

Gespräche mit Lehrer:innen und/oder dem BDK (Fachverband für Kunstpädagogik) verdeutlichen mir leider immer wieder die harte Realität vom drohenden Fachkräftemangel und vor allem das Festhalten an nicht zeitgemäßen Lehr- und Lernkonzepten, aufgrund fehlender Kompatibilität zwischen innovativen Impulsen und der Flexibilität des Bestandes (spätestens jetzt, durch das rasante Aufkommen der KI gestützten Tools im Alltag wird sich hier etwas ändern müssen - aber dazu mehr in einem nächsten Beitrag).
Ähnliches gilt für die Lage der Erzieher:innen.
Dank meiner Frau (Lehrkraft für die Ausbildung von eben solchen) bekomme ich auch hier die bittere Wahrheit des Fachkräftemangels aus erster Hand mit und vor allem auch den unglaublichen Anspruch an diesen verantwortungsvollen und überaus wichtigen Beruf. Gleichermaßen erfährt man von den Auszubildenden direkt und indirekt, wie hart Ausbildung als auch Job im Alltag wirklich sind und welche emotionalen und fachlichen, wie finanziellen Herausforderungen dieser Werdegang mit sich bringt. Wird die pädagogische Ausbildung zu Beginn noch mit ideeller Leidenschaft und Tatendrang gestartet, strandet diese oft nach kurzer Zeit im Hafen der Realität.
Umso wichtiger sind in meinen Augen dann Maßnahmen, um diese Arbeit an sich zum einen attraktiver für den beruflichen Nachwuchs und zum anderen effektiver und entlastender für die bereits Tätigen zu machen. Nicht unbegründet erleben wir (nicht erst seit Corona) regelmäßige Streikaktionen von Mitarbeiter:innen der pädagogischen Fachkräfte, deren Stimmen aufgrund von gesundheitlicher, wie fachlicher Überbeanspruchung nun immer lauter werden (müssen).
Entsprechend interessiert beobachtete ich deswegen auch den Start der Kampagne: Werde Erzieherin oder Erzieher unter der Leitung von Dr. Stefanie Hubig, kreiert von den kreativen Kollegen der Werbeagentur Brand Factory mit Standorten in Offenbach und Mannheim.
Nun muss ich (persönlich) leider sagen das hier erneut der klassische „Schnellzug der Mittelmäßigkeit keine Minute Verspätung hat, sondern seinem Fahrplan sogar weit voraus ist“ (Zitat aus dem Film 39,90).
Versteht mich nicht falsch - keineswegs möchte ich hier die aufwendige und umfangreiche Arbeit aller Beteiligten an sich schlecht reden und unnötig „ranten“. Vielmehr bin ich von dem finalen Ergebnis in Hinblick auf erkennbare Strategie und visuelle Identität als verantwortungsvoller Designer enttäuscht. Es wirkt so als hätte man die bewährten „Werbetools“ aus dem Standard-Repertoire-Koffer gezogen, um wahrscheinlich zum einen den Kunden und Budgetgeber zu befrieden und zum anderen bloß nicht anzuecken - man kreiert eine erwartungsgemäße Optik, wie sie sich seit Jahren im bürokratischen, politischen, schulischen und sozialen Bereich eben durchgesetzt hat - leider mit wenig Mut zur Aufmerksamkeit in Gestaltung und Konzept, wie wir es auch bei typischen Point of Sale Aktionen sehen, bei der jede 7. Flasche mit dem richtigen Code im Deckel gewinnt.
Der Ansatz der Identität ist, sehr wahrscheinlich, inspiriert von Friedrich Fröbels Herleitung des Begriffs „Kindergarten“, wo kleine Kinder wie Pflanzen umsorgt werden sollen. Das finden klassische Pädagogen und Standard-Politiker natürlich ganz toll und grundsätzlich ist der konzeptionelle Gedanke auch nicht verkehrt.
Doch formalästhetisch ist die Ausführung des Logos recht schwach und die Identität leider vorbei an der tatsächlichen Zielgruppe (so auch z.B. anonyme Stimmen von Auszubildenden im persönlichen Gespräch, die sich überhaupt nicht durch die Kampagne angesprochen und repräsentiert fühlen). Gut - man könnte nun sagen, dass diese auch nicht mehr abgeholt werden müssen, sondern eben nur die zukünftige Erzieher:innen.
Der inhaltliche Ansatz ist natürlich absolut richtig.
Über alle Facetten und Fakten des Berufs aufklären zu wollen und somit die Neugier und Begeisterung für diesen zu wecken. Doch mutet die gesamte Visualität der Kampagne eher nach Werbung einer Kita mit Zielgruppe Eltern an, als dass sie junge Erwachsene für den Beruf zu begeistern vermag. Obwohl die Inhalte wie z.B. die ausgezeichneten Fotografien überzeugen können, scheitert die Darstellung spätestens an der Kombination mit der gewählten Typografie und Ästhetik, wie auch in den Details der Website, die als zentraler Informationshub dienen soll - hier wäre es wohl mitunter ratsam gewesen eine professionelle Digitalagentur zu Rate zu ziehen.
Die Gestaltungssprache zieht sich zwar konsequent über alle Medien hinweg, doch versäumen z.B. die Aktionen und Beiträge auf Social Media meistens jeglichen Call to Action und somit eine der Standardgrundregeln für das digitale Umfeld. Schade, ist doch gerade die Interaktion der erste Schritt, um „Leads“ zu generieren (wenn wir im Klassischen Marketing-Jargon bleiben wollen) bzw. In diesem Fall: zukünftige Bewerber und Berufsinteressierte. Auch ist der gesamte Tonus der Inhalte eher geschönt, als dass er die harten Fakten des Arbeitsalltags widerspiegelt - was ich aus werblicher Sicht natürlich absolut verstehe - in der Ansprache möchte man ja nicht abschrecken, sondern motivieren.
Vor dem Hintergrund eines mehrfachen Millionenbudgets kann ich das bisherige Gesamtergebnis jedoch nicht gut heißen.
Für das Jahr 2023 & 24 stehen weitere 500.000€ für Kommunikationsmaßnahmen zur Verfügung. Natürlich kostet die gestalterische Arbeit vom Pitch, über Kommunikation und Konzept bis zur Produktion viel Zeit und somit Geld, doch frage ich mich wo sich die investierten Millionen von Steuergeldern in der finalen Kampagne wiederfinden…?! Auch wenn laut Aussagen eine umfassende Zielgruppen Analyse und Befragung stattgefunden hat, finde ich hier in meinen Augen, weder innovative aufmerksamkeitsstarke Kommunikationsideen, noch eine kreative Gestaltung wieder. Auch textlich sind die Headlines eher schwach und verwirrend, vermögen nicht das Potential von der Kombination Text und Bild auszuschöpfen, wie z.B. in der Kampagne für das Handwerk.
Vor dem Hintergrund, das ca. 1.500 Erzieherstellen in RLP fehlen und auf knapp 2% aller Stellen fachfremde Vertretungen sitzen, nicht selten mit Gruppen die den gesetzlich vorgegebenen Betreuungsschlüssel um ein vielfaches überschreiten, ist es wichtig das hier etwas passiert. Natürlich ist die aktuelle Situation wesentlich besser als noch vor einigen Jahren und die Politik hat einiges in diesem Bereich bewegt - es sind mehr Auszubildende vorhanden als je zuvor und es gibt mittlerweile z.B. auch die berufsbegleitende Ausbildung. Doch möchte ich hier nicht über politische Aktivitäten sprechen, sondern über die kommunikativen Maßnahmen die nun angelaufen sind und vielleicht auch kurz über die darin investierten Steuergelder des Landes.
Als rheinland-pfälzischer Bürger hätte ich mir gewünscht, dass das Steuergeld-Budget im Land bleibt, wo wir mehr als genug fähige und innovative Agenturen und Designstudios haben die diese Aufgabe hätten umsetzen können. Stattdessen vergibt man das Geld an die Kollegen von Brand Factory mit Standorten in Hessen und Baden-Württemberg, die sich sehr wahrscheinlich in dem Bewerberpool einfach adäquat gegenüber den vermeintlichen Mitbewerbern in der Ausschreibung durchgesetzt haben.
Was die Effektivität der Kampagne angeht lasse ich mich gerne eines Besseren belehren, wenn ich nach Ablauf dieser eine transparente Erfolgsmessung sehe und wir etliche Bewerber:innen verzeichnen können, die diese Ausbildung finalisieren und schließlich auch wirklich in den Beruf einsteigen. Ich würde mir einen glorreichen Ausgang dieser Kampagne sogar wünschen und hoffe auf mutigere Ansätze und eine optimierte Digitalkommunikation in den kommenden zwei Jahren der Laufzeit. Doch empfinde ich aufgrund meiner zwanzigjährigen Erfahrung als Kommunikationsdesigner eher große Sorge als Freude und erwarte schon die geschönte Pressemitteilung über den angeblichen Erfolg.
Zum Abschluss sei gesagt: Meinungen sind wie A...!
Und ich habe diese aufgrund meiner persönlichen Kontakte zum pädagogischen Zweig und meiner langjährigen Erfahrungen in der Kreativbranche. Mit diesem Artikel möchte ich nicht angreifen (!), sondern gestalterisch konstruktive Kritik zu einem Thema äußern, mit dem ich eben selbst viele Berührungspunkte habe.
Jeder möchte am Ende ein gutes Geschäft machen, vor allem in der hart umkämpften Kreativbranche, und das ist auch völlig ok so: gutes Business ist nichts Schlechtes oder verwerfliches. Doch gerade in unserer Branche wünsche ich mir mehr Rückgrat und Ideen, die wichtige Themen wie diese wirklich aufmerksamkeitsstark, mutig, ehrlich und effektiv kommunizieren und nicht "einfach nur den Job erledigen", indem sie scheinbar den Weg des geringsten Widerstandes gehen.